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Verpflegung bei Seminaren eines Berufsverbandes

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Die Verpflegung von Seminarteilnehmern ist nur bei geringfügigen Verpflegungsleistungen nach § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG steuerfrei.

Zahlungen der Mitglieder eines Vereins wie z.B. Mitgliedsbeiträge sind nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG Entgelt für die Leistungen des Vereins an seine Mitglieder, wenn diese einen konkreten Vorteil erhalten. Die Seminarleistungen des Klägers gegenüber seinen Mitgliedern gegen gesondert vereinbartes Entgelt waren dementsprechend steuerbar.

Steuerfrei sind nach § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG Vorträge, Kurse und andere Veranstaltungen wissenschaftlicher oder belehrender Art, die von juristischen Personen des öffentlichen Rechts, von Verwaltungs- und Wirtschaftsakademien, von Volkshochschulen oder von Einrichtungen, die gemeinnützigen Zwecken oder dem Zweck eines Berufsverbandes dienen, durchgeführt werden, wenn die Einnahmen überwiegend zur Deckung der Unkosten verwendet werden.

§ 4 Nr. 22 Buchst. a UStG setzt Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 77/388/EWG in nationales Recht um und ist entsprechend dieser Bestimmung auszulegen. Danach befreien die Mitgliedstaaten von der Steuer die Erziehung von Kindern und Jugendlichen, den Schul- oder Hochschulunterricht, die Ausbildung, die Fortbildung oder die berufliche Umschulung sowie die damit eng verbundenen Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die mit solchen Aufgaben betraut sind, oder andere Einrichtungen mit von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannter vergleichbarer Zielsetzung.

Bei richtlinienkonformer Auslegung von § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG sind nicht alle Vorträge, Kurse und andere Veranstaltungen zur Erlernung von Fähigkeiten oder Fertigkeiten „wissenschaftlicher oder belehrender Art“ im Sinne dieser Vorschrift befreit, sondern nur diejenigen, die als Erziehung von Kindern und Jugendlichen, als Schul- oder Hochschulunterricht, als Ausbildung, Fortbildung oder berufliche Umschulung anzusehen sind. Dies ist im Rahmen richtlinienkonformer Auslegung des § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG von Amts wegen und nicht nur auf Verlangen des Steuerpflichtigen im Rahmen eines von ihm geltend gemachten Anwendungsvorrangs der Richtlinie 77/388/EWG zu berücksichtigen. Im Übrigen kommt im Rahmen der richtlinienkonformen Auslegung eine Auslegung des § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG nach Maßgabe des nationalen Berufsbildungsgesetzes nicht in Betracht.

Im hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall ließen die vom Kläger als Berufsverband veranstalteten Seminare bereits nach ihrer Thematik eine Zweckrichtung und Eignung zur beruflichen Fortbildung erkennen, wie sich aus Veranstaltungsthemen wie z.B. „Kundenbindung“, „Verkaufen im Verdrängungswettbewerb“ oder „Personalmanagement“ ergebe. Ohne dass dies revisionsrechtlich zu beanstanden wäre, hat das Finanzgericht die erforderliche Zweckrichtung und Eignung zur beruflichen Fortbildung auch insoweit bejaht, als andere Seminare dazu dienten, die Effizienz bei der Bewältigung beruflicher Herausforderungen zu verbessern und hat dabei zutreffend einen bloßen Freizeitcharakter der Seminare verneint.

Eine solche Aus- und Fortbildung kann auch im Rahmen von Tagesveranstaltungen erfolgen kann. Einnahmen werden dann überwiegend zur Deckung der Kosten verwendet, wenn sie –wie im Streitfall– zumindest zur Hälfte zur Deckung der Kosten dienen. Der Kläger kann sich hiergegen nicht darauf berufen, dass nach Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. b zweiter Spiegelstrich der Richtlinie 77/388/EWG Dienstleistungen i.S. von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i dieser Bestimmung von der Steuerfreiheit ausgeschlossen sind, „wenn sie im wesentlichen dazu bestimmt sind, der Einrichtung zusätzliche Einnahmen durch Tätigkeiten zu verschaffen, die in unmittelbarem Wettbewerb mit Tätigkeiten von der Mehrwertsteuer unterliegenden gewerblichen Unternehmen durchgeführt werden“.

Zwar mag es sein, dass der Berufsverband seine Seminarleistungen im Wettbewerb mit anderen Seminaranbietern erbringt. Für Tätigkeiten, die –wie im Streitfall– den Kernbereich der Befreiung nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 77/388/EWG betreffen, kommt jedoch ein Ausschluss nach Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. b zweiter Spiegelstrich der Richtlinie 77/388/EWG nicht in Betracht. Ansonsten liefe die Befreiung in weiten Teilen leer.

Die Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG erstreckt sich nicht auf die Verpflegung der Seminarteilnehmer. Insoweit handelt es sich nicht um eine Aus- oder Fortbildungstätigkeit. Es liegt auch im Grundsatz keine mit der Aus- oder Fortbildung eng verbundene Dienstleistung oder eine Nebenleistung zu einer steuerfreien Leistung vor. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union gilt für die Steuerfreiheit der eng mit Aus- und Fortbildung verbundenen Dienstleistungen und Lieferungen und der Steuerfreiheit als Nebenleistung Folgendes:

Dienstleistungen und Lieferungen (Umsätze) sind nur dann mit dem Unterricht „eng verbunden“ und deshalb nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 77/388/EWG steuerfrei, wenn sie tatsächlich als Nebenleistungen zum Unterricht, der die Hauptleistung ist, erbracht werden. Danach gelten für die Frage, ob ein eng verbundener Umsatz vorliegt, dieselben Grundsätze wie im Verhältnis zwischen Haupt- und Nebenleistungen.

Maßgeblich ist daher für die Steuerfreiheit als eng verbundener Umsatz wie auch als steuerfreie Nebenleistung, dass der Umsatz oder die Nebenleistung keinen eigenen Zweck erfüllt, sondern das Mittel darstellt, um die Hauptleistung unter den bestmöglichen Bedingungen zu erhalten.

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist z.B. die entgeltliche Forschungstätigkeit staatlicher Hochschulen nicht als eng mit dem Hochschulunterricht verbundene Dienstleistung steuerfrei, da sie für den Hochschulunterricht nur nützlich, nicht aber unverzichtbar ist.

Unter Bezugnahme auf sein Urteil in der Rechtssache Kommission/Deutschland hat der EuGH mit Urteil vom 1. Dezember 2005 weiter zu den mit einer Krankenhausbehandlung eng verbundenen Umsätzen nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG entschieden, dass Dienstleistungen, die wie die Zurverfügungstellung von Telefonen und die Vermietung von Fernsehgeräten an Krankenhauspatienten und die Unterbringung und Verpflegung von Begleitpersonen dieser Patienten dazu dienen, den Komfort und das Wohlbefinden der Krankenhauspatienten zu verbessern, in der Regel nicht steuerfrei sind, soweit diese Leistungen nicht zur Erreichung der mit der Krankenhausbehandlung verfolgten therapeutischen Ziele unerlässlich sind.

Schließlich sind eng verbundene Umsätze und Nebenleistungen nach dem EuGH-Urteil Horizon College nach zu Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i i.V.m. Abs. 2 Buchst. b erster Spiegelstrich der Richtlinie 77/388/EWG nur steuerfrei, wenn diese Leistungen unerlässlich sind.

Nach diesen Grundsätzen ist die Verpflegung von Seminarteilnehmern im Allgemeinen nicht als mit der Aus- oder Fortbildung eng verbundene Dienstleistung oder als Nebenleistung zur Aus- oder Fortbildung steuerfrei. Bei der Verpflegung von Seminarteilnehmern handelt es sich nicht um eine für die Aus- oder Fortbildung unerlässliche Leistung, sondern um eine hierfür nur nützliche Maßnahme, die vorrangig dazu dient, den Komfort und das Wohlbefinden bei der Inanspruchnahme der Bildungsmaßnahme zu steigern.

Dem steht die Entscheidung des Bundesfinanzhofs zur Steuerfreiheit der durch Studentenwerke erbrachten Verpflegungsleistungen an Studenten nicht entgegen. Maßgebend hierfür war, dass dem Studentenwerk als Anstalt des öffentlichen Rechts im Zusammenwirken mit den Hochschulen die soziale Betreuung und Förderung der Studenten obliegt. Damit ist der vorliegende Fall nicht vergleichbar, weil der Kläger –anders als das Studentenwerk– keine Einrichtung des öffentlichen Rechts ist, die mit solchen Aufgaben betraut ist, und es an einer durch öffentlich-rechtliche Vorschriften geregelten Verbindung von Fortbildung und sozialer Betreuung fehlt. Dass es sich um die Leistungen eines Berufsverbands an seine Mitglieder handelte, reicht insoweit nicht aus.

Bei der Veranstaltung von Tagesseminaren kann die Gewährung von Verpflegung unter bestimmten Voraussetzungen unerlässlich sein. Zur Verpflegung von Arbeitnehmern bei Unternehmensbesprechungen hat der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften mit Urteil vom 11. Dezember 2008 entschieden, dass die Gewährleistung der Kontinuität und des ordnungsgemäßen Sitzungsablaufs es rechtfertigten, die Bewirtung der an Sitzungen teilnehmenden Arbeitnehmer mit Sandwichs und kalten Gerichten, die im Sitzungsraum serviert werden, nicht als unternehmensfremd anzusehen. Dementsprechend ist auch die Verpflegung mit kalten oder kleinen Gerichten im Seminarraum, wie z.B. bei Kaffeepausen, unerlässlich für die Durchführung von ganztägigen Seminaren.

Hat der Berufsverband danach sowohl steuerfreie als auch steuerpflichtige Leistungen erbracht und erhält er hierfür ein einheitliches Entgelt, ist der einheitliche Preis nach der einfachst möglichen Berechnungs- oder Bewertungsmethode aufzuteilen. Dies hat ggf. durch eine Schätzung nach § 162 der Abgabenordnung zu erfolgen. Hierzu sind nähere Feststellungen zu treffen. Dabei wird zu berücksichtigen sein, dass bei Tagesseminaren im Allgemeinen der Verpflegung im Vergleich zum Seminarprogramm keine besonders hervorgehobene Bedeutung zukommt. Dies kann es rechtfertigen, den Anteil des Entgelts für die gegenüber den Seminarteilnehmern steuerpflichtig erbrachten Leistungen in Höhe der für die Verpflegung entstandenen Kosten im Verhältnis zu den Gesamtkosten zu schätzen. Der Steuerausweis in den Rechnungen des Klägers wäre dann hinsichtlich der steuerpflichtig erbrachten Leistungen zutreffend, so dass die Klage insoweit Erfolg hätte.

Die Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH gemäß Art. 267 AEUV ist nicht erforderlich. Bestehen –wie hier– nach Auffassung des Bundesfinanzhofs hinsichtlich im Streitfall entscheidungserheblicher Auslegung der Begriffe Aus- und Fortbildung nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 77/388/EWG keine Zweifel, obliegt die Entscheidung über die Beurteilung des konkreten Sachverhalts dem nationalen Gericht. Hinsichtlich der Beurteilung des Verpflegungsanteils kam eine Vorlage im Hinblick auf die durch die EuGH-Urteile [Kommission/ Deutschland] und [Ygeia] bereits eingetretene Klärung nicht in Betracht.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 7. Oktober 2010 – V R 12/10


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